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Politik

Warum Einsatzrückkehrer kein Handeschütteln brauchen

Es ist fraglos nicht alles in den letzten Jahren perfekt gewesen für deutsche Soldatinnen und Soldaten. Es gibt gute und berechtigte Gründe für Kritik. Derzeit findet aber eine Diskussion statt, die ich für unredlich halte.

Seit Mitte letzter Woche, als die letzten Soldaten ausgeflogen wurden, hält diese Diskussion an und Politiker springen auf diesen Zug auf und versichern, sie würden die Arbeit der Soldaten schätzen und wären gerne gekommen.

Die fehlende Präsenz von Politikern bei der Rückkehr der letzten Einsatzsoldaten ließe tief blicken und sei „respektlos, würdelos, achtungslos“.

Ich weiß, wie es sich anfühlt, Soldat zu sein und ich weiß, wie es sich anfühlt, im Einsatz zu sein und zurückzukommen. Vor 20 Jahren begann meine Dienstzeit als Soldat und von Januar bis Juli 2004 war ich im Einsatz in Afghanistan.
Soldaten sind nicht Soldaten geworden, weil sie Anerkennung wollen. Es sind gerade in den Auslandseinsätzen Profis in ihrem Bereich, die auf diese Verwendung über Monate hinweg hin ausgebildet wurden. Sie erwarten, dass Ihnen die Mittel zur Verfügung gestellt werden, um ihren Auftrag zu erfülllen. Eine mangelhafte Ausstattung mit Personal und Material ist respektlos.

Entgegen dem Eindruck, der gerne in den Medien transportiert wird, gab es schon immer Appelle für Soldatinnen und Soldaten, sowohl zur Verabschiedung in den Einsatz als auch nach der Rückkehr. Aber in der Nähe des Standortes und mit einigen Wochen Abstand. Mich hat 2004 kein Politiker am Flughafen in Berlin begrüßt und das war gut so. Ich war gerade ein halbes Jahr ohne jede Privatsphäre bei zuletzt über 40 °C in einem Feldlager, in dem der Staub sich überall festsetzt und man fast durchgehend seinen Dienst verrichtet. Ich wollte am Flughafen in den Sammeltransport Richtung Heimat, Duschen und ins Bett und nicht von fremden Leuten begrüßt werden. Wenn man die Soldaten in so einer Situation nicht mit vermeintlich gut gemeinten Willkommensveranstaltungen aufhält, ist das in meinen Augen sogar sehr respektabel.

Hinzu kommt, dass eine solche Begrüßung auch einen falschen Eindruck bei den Soldaten hervorrufen kann. Auch, wenn viele Politiker hehre Ziele verfolgen, bin ich mir sicher, dass auch eine solche Veranstaltungen nicht ohne Presse und Eigendarstellung der Politiker einhergehen wird. Wenn bei den Rückkehrern dann der Eindruck entsteht, man würde sie aus PR-Gründen instrumentalisieren, das würde das gerade die Achtungslosigkeit bedeuten, die kritisiert wurde.

Was ich in diesem Zusammenhang aber tatsächlich respektlos finde, ist der Journalismus, der die Soldatinnen und Soldaten instrumentalisiert, um mit einer billigen Politikschelte Auflage zu erreichen, ohne dass dies in ihrem Sinne wäre. Einsatzrückkehrer brauchen kein Händeschütteln.

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Privates

Vor 10 Jahren: Good Morning, Afghanistan

Vor genau zehn Jahren bin ich damals im Camp Warehouse aus dem TPz Fuchs gestiegen. Hinter mir lagen 5.000 Kilometer Luftlinie mit Zwischenstops in Köln und Termez. Vor mir lag ein knappes halbes Jahr als Teil des 5. deutschen Einsatzkontingentes der ISAF-Kräfte in Afghanistans Hauptstadt.

Patrick in Afghanistan

Natürlich gäbe es vieles zu berichten und zu erzählen – vom nicht mehr fahrtüchtigen Wolf und der fehlenden Funkverbindung, von halsbrecherischen Fahrten mit Sichtweiten unter einem Meter im Sandsturm, von der ARD-Praktikantin auf meinem Beifahrersitz, vom Sprint durchs ganze Lager nach Mörserbeschuss, von atemberaubenden Landschaften und gastfreundlichen Menschen – aber man macht als Einsatzheimkehrer relativ schnell eine Erfahrung: Diejenigen, die nicht selbst dort waren, können vieles nicht nachvollziehen. Oder zumindest ist es für sie schwierig, die Wertigkeit dieser Erfahrungen zu verstehen. Im übrigen lassen sich viele dieser Geschichten schlecht verbloggen und eignen sich eher für einen gemütlichen Abend in lauschiger Runde.

Für viele Veteranen ist der Einsatz ein sehr prägendes Erlebnis. Selbst diejenigen, die – wie ich glücklicherweise – davon verschont wurden, nach dem Einsatz private Probleme in der Beziehung bis hin zur Scheidung zu haben oder an PTBS erkrankt sind, werden ihre Zeit im Einsatz sicher nicht vergessen.

Aber wenn ich ein Resümee ziehen sollte, wäre es wohl dieses: Es war eine interessante Zeit, lehrreich und voller Erfahrungen. Sie war die Umsetzung dessen, wofür man als Soldat ausgebildet wurde: Man konnte seine Kenntnisse und Fähigkeiten in einer konkreten Verwendung unter Beweis stellen. Und auch wenn ich weiss, dass viele meiner Kameraden dies anders sehen: Ich habe Afghanistan als ein schönes und facettenreiches Land kennen gelernt und seine Bewohner als interessante und gastfreundliche Menschen. Irgendwann will ich daher nochmal in dieses Land reisen. Nur wann, bleibt abzuwarten.

In diesem Sinne: Khoda Hafez!

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Politik

Veteranenpolitik

Seit ungefähr zwei Monaten wird auch von Seiten des BMVg intensiver die Veteranenthematik beleuchtet. Seit 1992 sind über 300.000 Soldaten der Bundeswehr mit einem Auftrag des Parlaments in die verschiedensten Krisengebiete geschickt worden. Spätestens seit einigen Jahren hat man dann erkannt, dass die deutschen Soldaten dort nicht nur auf Jukuhu-Tour* waren sowie schön den AVZ** eingestrichen und den ganzen Tag besoffen in der Sonne gesessen haben, sondern dass die Einsätze auch Verwundung und Tod nach sich ziehen, von Folgen wie einer PTBS*** ganz zu schweigen.
Das BMVg und auch der VdRBw sind nun der Meinung, eine größere Wertschätzung der Veteranen wäre sinnvoll. Wer jetzt aber meint, das wäre ein einfaches Unterfangen, der irrt. Natürlich wird zunächst einmal festgelegt, wer gewertschätzt werden soll. Aus der Politik kommt der Ansatz, dass jeder Soldat, der auch nur seinen Grundwehrdienst abgeleistet hat, als Veteran gesehen wird. Dies solle einer „Spaltung der Truppe“ entgegenwirken. Der Reservistenverband geht sogar noch weiter und möchte einen „Tag der Anerkennung für all diejenigen, die sich mit Leib, Leben und Seele für das Allgemeinwohl einsetzen – sei es im Auslandseinsatz für die Bundeswehr, im Reservistendienst, bei der Polizei, bei der Feuerwehr, beim Deutschen Roten Kreuz oder sonstwo“.  Irgendwo habe ich dann in der Diskussion noch gelesen, es solle sich doch bitte jeder Veteran nennen dürfe, der sich so fühle.
Diese ganze Diskussion geht leider wieder einmal vollkommen an der Realität vorbei, denn es gibt diese Spaltung bereits: In Soldaten, die im Einsatz waren und solche, die es nicht waren. Und selbst bei den Soldaten, die im Einsatz waren, gibt es Unterschiede. Als ich im Afghanistan-Einsatz war, im 5. Einsatzkontingent zwischen Februar und Juli 2004, da gab es Soldaten wie mich, die regelmäßig das Lager verließen und es gab die anderen, die genau zweimal außerhalb des Lagers waren, nämlich das erste Mal auf der Fahrt vom Flughafen zum Feldlager am Beginn ihres Einsatzes und das zweite Mal auf der Fahrt vom Feldlager zum Flughafen am Ende ihres Einsatzes. In letzter Zeit habe ich den Begriff „Drinnies“ und „Draussies“ gehört, damals im Camp Warehouse gab es für die Ersteren noch eine deutlich unfreundlichere Bezeichnung. Teilweise führte diese Nichtwahrnehmung der Einsatzrealität zu so absurden Vorkommnissen, bei denen ein Stabsoffizier einen Scharfschützen, der gerade von einer sechsstündigen Patrouille kam, befahl den Schuhputz zu verbessern.
Was ich damit sagen will: Es ist ein hehres Ziel, die Anerkennung für die vielen Gruppen derjenigen zu verbessern, die sich für andere einsetzen und auch Gefahren auf sich nehmen. Aber diese Verknüpfung mit dem Begriff der Veteranen halte ich für unzulässig. Ich habe den Eindruck, man will irgendwas nettes machen, scheut aber die Auseinandersetzung, wenn es um die Unterstützung von einsatz- und auch kampferfahrenen Soldaten geht und will dann lieber einen diffusen Wohlfühlkreis grüden, in dem sich alle irgendwie wiederfinden und gegen den niemand etwas haben kann.
Das mag der einfache Weg sein, ein sinnvoller ist es nicht. Ich hoffe, diese Erkenntnis setzt sich durch.

* sinnfreie Spaßtour von Soldaten
** Auslandsverwendungszuschlag
*** Posttraumatische Belastungsstörung